Die Neurowissenschaft hat entdeckt, dass Gefühle mit der Aktivierung gewisser Gehirnareale einhergehen. Daraus folgert sie, dass die Aktivität der Gehirnareale die Gefühle hervorruft, und so z.B. religiöse Gefühle eine Projektion des Gehirns sind. Das ist aus zweierlei Gründen falsch:

Die Neurowissenschaft unterstellt dabei, dass zuerst die Gehirnaktivität da ist, und dann daraus die Gefühle folgen, und nicht umgekehrt. Das ist eine Unterstellung. Ein Beweis dafür gibt es nicht. Im Gegenteil: die Neurologie weiß heute sehr genau, wie das Gedächtnis funktioniert: die Informationen, die wir durch Hören oder Sehen, durch Schmecken und Gefühle aufnehmen, verändern die neuronalen Strukturen des Gehirns, sodass in dieser veränderten Struktur die Information gespeichert ist.
Hier kommen ganz klar das Gefühl oder die Sinneseindrücke zuerst, und danach kommen Aktivitäten und entsprechende Strukturveränderungen im Gehirn zustande, die dadurch ausgelöst werden. Insofern führt sich die Neurowissenschaft in der o.g. Unterstellung selbst ad absurdum.

Zweites kennt die Neurowissenschaft die christliche Erfahrung nicht. Die ist, wie jeder Christ weiß, kein “religiöses Gefühl”, wie in der Esoterik oder Mystik, sondern etwas ganz anderes: eine Wahrheitsempfindung, eine Erkenntnis der Wahrheit und kein Gefühl. Es kann sehr freudige Gefühle hervorrufen, aber die werden durch die Erkenntnis erst ausgelöst, nicht umgekehrt. Die grundlegende Erfahrung des Christen geschieht im Geist des Menschen, in seinem innersten Wesen, in seinem “Ich”. Religiöse Gefühle spielen sich dagegen auf der Ebene der Seele, der Ebene der Gefühle und Gedanken ab

“Religiöse Gefühle”, mystische Erleuchtungen usw. können in der Tat durch Meditation, Hyperventilation, Genuss von gewissen pflanzlichen und synthetisch-chemischen Substanzen sowie durch Stimulation des Gehirns mittels magnetischer Felder auf seelischer Ebene hervorgerufen werden, die vermuten lassen, dass man es hier mit etwas Göttlichem zu tun hat. Nur: Christsein hat wie gesagt nicht das Geringste mit solchen „religiösen Erfahrungen“ zu tun.

Dr. Albrecht Kellner