Die Vorstellung eines „blinden Glaubens“ als Kernbestandteil des Christseins beruht auf einer irrigen Auffassung vom Christsein. Der Glaube ist nur die Funktion, mit der man geistige Wahrheiten erfasst. Entscheidend ist, dass man vom Glauben zum Erkennen, zu einer inneren Wahrheitsempfindung kommt. Erst dann hat das Christsein in seiner eigentlichen Bedeutung überhaupt erst begonnen.
Dieser Prozess, durch den man zur Entdeckung bis dato unbekannter Realitäten kommt, ist auch sonst nicht unbekannt. Zum Beispiel glaubte Columbus, dass er Land finden würde, und fand Amerika – aufgrund dieses Glaubens. Analog verhält es sich mit der Entdeckung bzw. Erfahrung eines Christen. Dass man vom Glauben zum Erkennen kommt, ist zwar eine wenig bekannte, aber zentrale, nicht zu übersehende Aussage der Bibel. Bei diesem Erkennen handelt es sich um eine fundamentale Erfahrung – dort, wo man Wahrheit erfährt – aus der sich der Sinn des menschlichen Lebens erschließt.
Dr. Albrecht Kellner