”Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!”  (Johannes 21,17)

Gott vergleicht die Gläubigen nicht mit Adlern, Löwen oder Bären – sondern mit Schafen! Hast du schon einmal versucht, ein Schaf zu lieben? Schafe sind manchmal recht undankbar, stur, unwillig, egoistisch und sehr von sich eingenommen. Jesus fragte den Petrus nun nicht, ob er seine Schafe lieb hat, sondern forderte ihn auf, seinen Erlöser zu lieben und seine Schafe zu weiden. Das eine hatte explizit mit dem anderen zu tun. Wenn ich Jesus nicht liebe, kann ich anderen Menschen und Mitchristen auch nicht mit der Liebe Gottes begegnen.

Dieser Petrus war sehr von sich selbst überzeugt, er sagte zu Jesus: ”Wenn sie auch alle Ärgernis nehmen, so will ich doch niemals Ärgernis nehmen an dir” (Matthäus 26,33). In einem anderen Fall sagte er: ”Herr, warum kann ich dir diesmal nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen” (Johannes 13,3). Aber Fakt war, dass Petrus Jesus dreimal verleugnet hatte. Warum hatte er dies getan? Der Grund war, dass er sich im Prinzip selbst vertrauen wollte (Charakter zeigen wollte) und somit sich Jesus würdig zu erweisen. Das ging nach hinten los. Petrus liebte Jesus, aber er liebte auch seinen weltlichen Traum, also seine eigene Vorstellung von Liebe, Gnade, Dienst, Nachfolge und Glaube.

Weil seine Liebe zu Jesus nicht rein (gereinigt) war, erreichte er mit seiner ”menschlichen” Treue in der brenzligen Situation der Anklage, seine natürlichen Grenzen. Dreimal rief der HERR den Petrus auf: ”Weide meine Schafe”! Der Zusammenhang wird deutlich. Wenn du Jesus nachfolgen willst, aber dich selbst oder die Schafe mehr liebst, wirst du scheitern und auch die Liebe zu den Schafen (Glaubensgeschwistern) wird verblassen und vielleicht sogar ins Gegenteil umschlagen. Wenn es nur nach deiner Liebeskraft und Vorstellung geht, wirst du als Christ überall Schiffbruch erleiden. Dann wird dein Glaube zu einem Kopfglauben und das Weiden der Schafe (oder andere Dienste) zu einem herzlosen Unterfangen ohne echte Wirkung. Romantische Gefühle und entsprechende Vorstellungen haben meist eine geringe Haltbarkeit und können nicht die Hauptsache des Glaubens sein. Wie schnell können Probleme und Sorgen die Romantik auslöschen?

Jesus sagte: ”Liebt ihr mich, werdet ihr meine Gebote halten” (Johannes 14,15). Gebote zu halten, um jemanden zu lieben und somit selbst dann für wert erachtet zu werden, ist nur Werksgerechtigkeit, aber jemanden zu lieben, und deshalb seine Gebote zu halten (und zu wissen aus Gnade und Liebe erlöst zu sein) ist verstandener Glaube. Bei solchen Menschen wohnt Gott. In Johannes 14, 23-26 steht: „Jesus antwortete und sprach zu ihm: Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort befolgen, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. Wer mich nicht liebt, der befolgt meine Worte nicht; und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein, sondern des Vaters, der mich gesandt hat. Dies habe ich zu euch gesprochen, während ich noch bei euch bin; der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“.
In wessen Herz die Gnade und Liebe Jesu wohnt, der ist auch in der Lage Schafe zu lieben und zu weiden. Gläubige Menschen zu weiden bedeutet sich, um ihre Seele zu kümmern.

Wie könnte man dies aus eigener Kraft und Liebesfähigkeit heraustun?

Wie könnte man, ohne selbst innerlich verstanden zu haben, wer man ist und was Gott für einen getan hat, seelisches Verständnis erlangen?

Petrus musste hier einiges lernen (wie wir auch), um für diesen wichtigen Liebesdienst wirklich gerüstet zu sein. Gott will ja keinen Menschen auf die Christen loslassen, der sich selbst noch nicht kennt und eine komische, theoretische Vorstellung von Liebe und Gnade hat. Man kann auch eine romantische Vorstellung vom Glaubensleben haben! Dann fühlt man sich (solange es keine Störungen gibt) tatsächlich wie ein Adler, Löwe oder Bär.

Ich glaube nicht, dass dies für unsere Seele in dieser Welt tragfähig ist, wenn wir nicht einsehen (im übertragenen Sinne), schwache, orientierungslose Schafe zu sein! Daher brauchen wir unsere Enttäuschungen. Und zwar in dem Sinne, dass wir so manche Täuschungen entfernen lassen. Wir müssen kämpfen, überwinden, aufsehen, laufen und glauben durch den, der uns stark macht – Jesus Christus!

Ebenso verkehrt ist eine kriegerische Vorstellung des Glaubens, um die Interessen Gottes in der Welt auszuleben. Auch hier irrte Petrus, als er im Garten Getsemane bei der Verhaftung Jesu dem Knecht des Hohepriesters ein Ohr abschlug (Johannes 18,10). Jesus tadelte ihn deutlich (Vers 11: „Da sprach Jesus zu Petrus: Stecke dein Schwert in die Scheide! Soll ich den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat“?

Auch hier hatte Petrus eine verkehrte Vorstellung von dem, was nun geschehen musste. Also auf Deutsch sagte Jesus dem Petrus gewissermaßen: „Kämpfe nicht zur falschen Zeit mit den verkehrten Mitteln! Willst du nicht erlöst werden“?

Menschen brauchen Hirten, aber weltlich desillusionierte Hirten und geistliche Leiter. Menschen, die auch aus ihren Niederlagen und Pleiten etwas gelernt haben – wie Petrus! Danach konnte er Jesu Auftrag voll und ganz erfüllen: Weide meine Schafe! Unter der Leitung von Petrus wuchs die erste Gemeinde heran. Das war die Grundlage für alle weiteren Gemeinden.

Petrus weidete die Schafherde Gottes unter Einsatz seines ganzen Lebens, sogar unter der feurigen Verfolgung Roms und der jüdischen Autoritäten. Ohne die Lektionen, die er lernen musste, wäre das so nicht möglich gewesen. Auch für uns gibt es im Leben Dinge, die wir lernen müssen, damit wir Gott wirklich dienen können. So wie Jesus zum Vater zieht (Johannes 14,6) so zieht Gott seine Schafe auch zur wahren Liebe Jesus Christus gegenüber.

Ohne Jesus können wir nichts tun (Johannes 15,5). Wenn wir das verstanden haben, können wir die dreifache Frage Jesu an Petrus auch auf uns übertragen und in Wahrheit für uns beantworten: ”Hast du mich lieb”?

Jörg Bauer